Die Europäische Investitionsbank (EIB) stellt dem Medizintechnikunternehmen Precisis ein Venture-Darlehen in Höhe von 20 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld soll die Weiterentwicklung und internationale Expansion von Easee ermöglichen – einer minimalinvasiven Neurostimulations-Therapie, die das Leben von Menschen mit medikamentenresistenter Epilepsie grundlegend verändert. Hinter dem Unternehmen stehen mehrheitlich die Eigentümerfamilien von Ursapharm. Auch der frühere Noventi-CEO Dr. Hermann Sommer mischt mit.
Precisis wurde 1998 von dem Physiker Dr. Robert Boesecke und einem Partner aus der Slowakei gegründet. 2009 übernahm die bis dahin auf Autohäuser spezialisierte Investmentgruppe Palladius die Mehrheit der Anteile. Sommer und seine Frau Dr. Angela Liedler waren hier Aufsichtsräte; kurz vor der Pleite der börsennotierten Holding lösten sie die Gesundheitssparte unter dem Namen Strive Healthcare wieder aus der Gruppe heraus. Liedler übernahm so die Mehrheit der Anteile und die Leitung des Unternehmens.
Von Hause aus Ärztin, hatte sie sich ab Ende der 1990er Jahre mit ihrer gleichnamigen Kommunikationsagentur in der Branche einen Namen gemacht. Sommer kam eigentlich aus der Metallverarbeitung und leitete einen Automobilzulieferer, bevor er sich 1993 als Unternehmensberater und Krisenmanager selbstständig machte. In dieser Funktion begleitete er auch Insolvenzverfahren; 2004 gründete er seine eigene Vermögensverwaltung.
Heute hält Strive rund 14 Prozent an Precisis. Die Mehrheit kontrollieren die Familien um Frank Holzer und Detmar Buxmann; die Eigentümer von Ursapharm waren 2014 als Investoren an Bord gekommen.
Jetzt kommen 20 Millionen Euro als Venture-Darlehen von der EIB. Liedler sprach von einem Meilenstein – nicht nur für Precisis, sondern für die übergeordnete Vision, sinnvolle Innovationen zu den Patientinnen und Patienten zu bringen, die sie am dringendsten benötigen. „Ich bin stolz und dankbar zu sehen, wie diese Finanzierung nun das nächste Kapitel unseres Wachstums und unserer internationalen Wirkung ermöglicht.“
CEO Karl Stoklosa will nach dieser ersten Finanzierungsrunde in Kontakt mit Investoren treten, um eine Serie-B-Finanzierungsrunde abzuschließen und den Eintritt in den US-Markt zu beschleunigen. Gerade erst hat dort die Arzneimittelbehörde FDA die Genehmigung zur Durchführung der IDE-Studie EASEE4US erteilt. „Die Gelegenheit für Co-Investoren, sich in dieser Phase – vor der globalen Expansion – zu beteiligen, ist äußerst vielversprechend.“
Und EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer lobte die innovativen Durchbrüche, die durch die Therapie von Precisis erzielt würden. Mit dem Darlehen wolle man diese wegweisende Arbeit unterstützen: „Diese Partnerschaft zeigt, wie gezielte europäische Innovationsinvestitionen Fortschritte in der medizinischen Forschung ermöglichen, die Millionen von Menschen in Europa und weltweit ein gesünderes, erfüllteres Leben ermöglichen können.“
Easee ist ein Implantat, das unter der Kopfhaut platziert wird und gezielte elektrische Impulse an epileptogene Hirnregionen sendet. Im Gegensatz zur traditionellen Tiefenhirnstimulation oder Vagusnervstimulation werden die betroffenen Bereiche von außerhalb des Schädels stimuliert. Mit mehr als 150 Patient:innen hat Precisis nach eigenen Angaben die Grundlage für den internationalen Rollout gelegt. Laut einer aktuell veröffentlichten Studie reduzierte sich bei 65 Prozent der Patient:innen die Anfallshäufigkeit um mindestens die Hälfte, die mediane Anfallshäufigkeit sank um 68 Prozent, und 81 Prozent setzten die Therapie auch nach zwei Jahren fort.
Easee ist seit 2022 CE-zertifiziert und wird inzwischen aktiv in sechs europäischen Ländern eingesetzt – darunter Deutschland, Österreich, die Schweiz, das Vereinigte Königreich, Portugal und Italien. Spanien wird in Kürze folgen. „Dass wir heute europaweit klinische Zentren und Patient:innen erreichen, ist das Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit und enger Partnerschaften zwischen Medizin, Technik und Industrie – getragen von einem interdisziplinären Team, das Innovation nicht nur entwickelt, sondern auch erfolgreich in die Versorgung bringt“, sagt Stoklosa.
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